Wie man Entscheidungen besser und schneller macht

Gute und zugleich zügige Entscheidungen sind die beste Voraussetzung für den Unternehmenserfolg. Dies klappt am besten dann, wenn das, was operativ zu entscheiden ist, keine Genehmigung von Oben braucht, sondern selbstverantwortlich dort getroffen werden darf, wo eine jeweilige Entscheidung ansteht.

Einzelne Entscheidungsträger weit oben waren zu Zeiten von Massenproduktion, Standardprozessen und Kontinuität allgemein üblich. Ist das Umfeld hingegen komplex und agil, werden sie zum Flaschenhals einer Organisation. Vormarsch, individualisierte Dienstleistungen und hohes Tempo sind nur dort machbar, wo zwischen Entscheidung und Umsetzung möglichst wenig Zeit vergeht.

So braucht eine neue Ära auch eine neue Entscheidungskultur. Im Führungsverständnis von heute geht es nicht mehr darum, Entscheidungen vorzugeben, sondern darum,

  • gemeinsam getragene Entscheidungen herzustellen,
  • operative Entscheidungen in die Teams zu verlagern.

In klassischen Organisationen werden größere Entscheidungen jedoch oft auch heute noch in die nächsthöhere(n) Hierarchiestufe(n) verlagert, also dorthin, wo man weniger von einer konkreten Sache versteht. Das ist, als ob der Trainer die Elfmeter schießen müsste. Und genau das steht einem Erfolg dann im Weg.

Ein Beispiel für eine schlechte Entscheidungskultur

Nehmen wir einen Betrieb, den es tatsächlich gibt. Anschaffungen ab 100 Euro brauchen dort die Unterschrift des jeweiligen Vorgesetzten. Hierfür ist aufwendig ein Formular auszufüllen. Zudem dürfen nur gelistete Teile eingekauft werden, obwohl viel besser Geeignetes im Web oft günstiger und zudem mit einem Klick bestellbar wäre. Zu allem Übel ist der Chef zwei Wochen in Urlaub, danach türmt sich bei ihm die Arbeit.

Als endlich grünes Licht kommt, ist der Kunde, für dessen Auftrag dieses Teil notwendig war, weg. Er konnte nicht länger warten. Neben den Kosten für die interne Prozessabwicklung beläuft sich der entgangene Umsatz auf 10.000 Euro. Der ganz normale Wahnsinn in autokratischen Unternehmen. Erst wollen die Firmen die besten Mitarbeiter und dann werden die geführt, als ob sie keine eigenen Entscheidungen treffen könnten.

Edelsachbearbeiter sind der Flaschenhals einer Firma

Viele Obere meinen immer noch, sie müssten alles selber wissen, alles selber können und ihren Leuten sagen, wie die Dinge zu laufen haben. „Edelsachbearbeiter“ werden sie gerne genannt. Micromanagement ist ihr Markenzeichen. Auch Firmeninhaber alter Prägung sehen sich noch immer gern als Alleinentscheider. Ihr Selbstbild verbietet es ihnen, die Zügel aus der Hand zu geben.

Ihr antiquiertes Arbeitsmotto, man merkt es am Sprachstil, geht so: „Nur was der Meister selbst getan, ist wohl geraten.“ Solche „Meister“ können sich schlecht auf andere Sichtweisen einlassen. Selbst die genialsten Ideen werden sie blockieren, weil es nicht ihre eigenen sind. Und in Wahrheit? In Wahrheit hat ihr Ego vor allem Sorge um Machtverlust. Oder Angst vor dem Zeigen von Schwäche. So wird munter angewiesen – statt involviert und delegiert.

Kompetenzen und Verantwortung zusammenführen: das neue Prinzip

„Wer Kompetenzen einschränkt, verringert den Anreiz für Mitarbeiter, zu träumen, zu fantasieren und sich einzubringen“, sagt der Managementvordenker Gary Hamel. Sehr drastisch formuliert er auch dies: „Keine Funktion in Ihrem Unternehmen ist ineffizienter als das Management.“ Denn die vielen Genehmigungsschritte verlangsamen jede zeitnahe Reaktion.“ Darüber hinaus erzieht man sich lauter Mündel, die meinungslos auf Anweisungen warten.

Entscheidungen „kraft Amtes“ weit weg vom Schuss gehen an der Lebenswirklichkeit auch sehr oft vorbei. Und genauso kommt das beim Kunden dann an: reglementiert, uninspiriert, gequält, 08/15. Doch mit „Dienst nach Vorschrift“ kann man keine Kunden betören. Zudem liegen fachliche Kompetenzen heute vor allem bei den Spezialisten im Team. Wer die Tore schießt, sollte auch die dazu notwendigen Entscheidungen treffen. „Kompetenzen und Verantwortung zusammenführen“ nennt man dieses Prinzip.

Was „Kompetenzen und Verantwortung zusammenführen“ bedeutet

Verbesserungsideen, die den eigenen Bereich betreffen, werden im Team besprochen, entschieden und umgesetzt, es braucht also keinen Segen von oben. Interdisziplinäre Ideen gehen nicht an den Chef, sondern direkt an das jeweilige Team – oder in eine zentrale Ideenbank, die allen zugänglich ist. Onlinebasierte Kollaborationsplattformeneignen sich bestens dazu. Wie in einem Regal werden dort Ideen zur Ansicht, zum Ausprobieren und zum Weiterentwickeln angeboten.

Führungskräfte können darauf vertrauen: In sich selbst organisierenden Einheiten entstehen Strukturen und Vorgehensweisen, die dem Unternehmenszweck dienen und außergewöhnliche Ergebnisse hervorbringen werden. Hierzu braucht es ein Umfeld, das Vorschriften abbaut, auf Fehler smart reagiert, Vertrauen zulässt und Freiräume schafft. Leitplanken statt Handschellen, Empfehlungen statt Statuten und Mut zum Versuch sind die Devisen. All das macht eine Firma beweglich und anpassungsschnell.

An einem Beispiel gezeigt: Das Ergebnis von mehr Selbstorganisation

Es spricht viel gegen Entscheidungen von oben in operativen Belangen. In sich selbst organisierenden Teams werden operative Entscheidungen ganz genau dort getroffen, wo sie hingehören: Dort, wo die Fachleute sitzen, dort wo man ganz nah am Kunden ist, und dort, wo man beim kleinsten Hinweis auf Fehler zügig nachsteuern kann. Fast alle operativen Fragestellungen kann ein Team besser beantworten als ein Manager weit weg vom Schuss.

Dazu ein kleines Beispiel: Bei Favi, einem französischen Metallverarbeiter, gab es einen Lagerraum mit Lagerwart, der den Arbeitern Werkzeuge und Material nur dann ausgeben durfte, wenn ein vom Schichtleiter unterschriebener Antrag vorlag. Machte der Lagerwart Pause, war der Raum verschlossen. War der Schichtleiter nicht da, konnte es zu Verzögerungen kommen, die den ganzen Betrieb blockierten.

Dann hat man mal sauber gerechnet: Steht eine Maschine still, kostet das x Mal mehr als ein vorschriftenkonformes Blatt Papier. Seitdem ist der Lagerraum immer offen und es braucht keine Formalien mehr. Das spart eine Menge Zeit und Geld. Wer etwas entnimmt, muss dies nur in ein Bestandsbuch eintragen, damit man den Überblick behält und Ausgehendes nachbestellt werden kann.

Das Buch zum Thema

Anne M. Schüller, Alex T. Steffen

Die Orbit-Organisation

In 9 Schritten zum Unternehmensmodell

für die digitale Zukunft

Gabal Verlag 2019, 312 Seiten, 34,90 Euro

ISBN: 978-3869368993