12 Monate Unternehmer sein – Achterbahn inklusive

Wie jedes Jahr fahren wir Ende August in den Urlaub. Schon fast ein Ritual – Meine Frau, meine zwei Jungs und ich. Als Familie 2 Wochen lang. Auch wenn wir das nun zum gefühlten zehnten mal machen´, ist in meinem Kopf dieses Mal nichts mehr wie im letzten Jahr.

schooner-754872_1280Im letzten Jahr waren wir bei schönstem Wetter im Urlaub und alles war eitel Sonnenschein – dachte ich zumindest. Wir hatten gerade die Marke von 30 Mitarbeitern geknackt und die nächste Einstellung stand vor der Tür. Der Umsatz stieg und hielt sich gut auf hohem Niveau – dachte ich.

Ich war der festen Überzeugung, daß der Laden läuft und es auch weiter tun wird. Dachte zum ersten Mal daran, weniger zu arbeiten. Ich blinzelte in die Sonne am Meer und meine Gedanken schweiften zu Themen, an die man eben so denkt, wenn man der Meinung ist, daß man das Leben in Zukunft noch etwas intensiver genießen kann.

[Tweet „Wenn Du denkst: Alles läuft – dann schepperts meist gleich richtig“]

Krach – Bum – Bäng: Großer Irrtum.

Wenn ich nur genauer hingeschaut hätte. Die Warnsignale waren da. Erst kleiner. Dann eigentlich nicht zu übersehen. Ich wollte sie nicht sehen.

In unseren steigenden Umsätzen befanden sich immer mehr einmalige Sonder-Effekte. Das ist schon prima, wenn man steigende Umsätze verbuchen kann. Wenn das aber keine regelmäßig wiederkehrende Einnahmen sind, dann sollte man als Unternehmer besser zwei Mal hinschauen. Böser Fehler.

Während die Umsätze scheinbar immer weiter stiegen, wuchsen auch unsere Personalkosten – teilweise sogar über-proportional. Eine Einstellung hier, eine Verstärkung im Team dort und der Bewerber hier könnte doch auch noch passen. Da wir Fachkräfte praktisch nur noch unbefristet einstellen können, rächen sich hier Fehleinschätzungen extrem schnell. Zugegeben wir praktizieren hier eher ungewöhnliche Einstellungsrituale. Nach einer Vorauswahl durch unsere Personalkollegin folgt in der Regel ein ausführliches Interview mit mir. Das geht selten unter 1,5 Stunden ab. Wer dann bei der Vorstellung und dem Shake-Hands mit den Mitarbeitern noch entspannt lächelt den bitten wir zu einem Probetag. Wenn die Daumen im Team dann hoch gehen, dann stelle ich ein.

Werlcher Typ Mitarbeiter?
Werlcher Typ Mitarbeiter?

Doch auch mit diesem „Akzeptanztest“ bleiben Fehleinschätzungen nicht aus. Von mir und vom Team. Hier habe ich an einigen, wenigen Stellen zu lange hingeschaut als zu handeln und die Reißleine zu ziehen. Hier muss ich in Zukunft schneller reagieren und vor allem konsequenter sein. Und diese Konsequenz auch bei meinen Mitarbeitern mit Personalverantwortung konsequent einfordern. Diese Lektion hat mich bestimmt einen fünfstelligen Betrag gekostet. (Wie Du A-Mitarbeiter identifizierst und wie Du A, B- und C-Typen führst, habe ich hier im Blog beschrieben.

Im vierten Quartal 2014 hat es dann richtig gekracht. Die notwendigen Freisetzungen von Mitarbeitern waren sowohl von der Qualität her notwendig als auch vom Personalbudget alternativlos. Da kann man eigentlich nur noch versuchen das alles menschlich „einwandfrei“ über die Bühne zu bringen.

Doch nun? Wohin, wohin?

Ein Gespräch mit der Steuerberaterin brachte dann zum Jahresende mehr Klarheit. Den Engpass hatte sie so auch nicht gesehen, aber sie gab mir im Gespräch eine wichtige Einsicht mit: „Immer weiter Kosten einzusparen ist keine Strategie“. Schon gar nicht für eine kleine Firma wie die unsere. Wohl wahr.

Wir brauchten also ein Ziel. Womit wollen wir in Zukunft Geld verdienen. In welchen Bereichen wollen wir uns wie aufstellen? Wo liegen eigentlich unsere Kernkompetenzen? Was machen wir mit den unterschiedlichen Geschäftsbereichen, die wir schon hatten?

Ziele im Leben
Ziele im Leben

Ich hirnte, grübelte, fragte Kollegen und Geschäftspartner. Wirklich inspirieren konnte mich dabei nichts. Meine Familie fand mich zunehmend anstrengend, unausstehlich.

Heute weiß ich: Du brauchst schon vor dem Maßnahmenplan zur Kostenreduktion einen konkreten Plan, wie man sich hinterher aufstellt. Nicht nur mit der eigenen Mannschaft sondern vor allem aus Sicht des Kunden.

Und du musst an deine Idee, deinen Plan glauben. Zumindest daran, daß Du in der Lage bist den Weg zu meistern, selbst wenn Du deinen Plan immer mal wieder anpassen musst. Du musst wissen worauf du dich bei dir selbst verlassen kannst. Welche eigenen Fähigkeiten du belastbar einsetzen kannst.

Mir hat bei der Zielfindung eine Frage geholfen, auf die ich in einem Gespräch mit einem Fotografen gestoßen bin: „Zu welchem Thema kann ich dich abends um halb elf noch anrufen?“ Der Fotograf antwortete „Gitarre spielen“ und wir lachten gemeinsam.

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Für mich habe ich die Frage dann so umformuliert: „Wozu setze ich mich nach einem langen Arbeitstag freiwillig abends um zehn noch mal hin und lese oder lerne etwas?“ In meinem Fall war das recht einfach: Ich bin von Natur aus neugierig. Ich interessiere mich für Neues im Bereich Web und Web-Technologien, nehme Startup-Ideen aus Berlin oder dem Silicon Valley unter die Lupe. Schaue mir soziale Netze an – oder probiere neue Technologien aus. Linux, Android – alles was mir das Leben einfacher oder interessanter macht. Und ich schreibe gerne. Nicht immer, aber immer öfter.

Was mich antreibt. Was mir Spaß macht

Trotzdem habe ich noch ein paar Wochen gebraucht, bis ich das erste Thema identifiziert habe, bei dem wir als Firma mit neuem Mut und frischer Energie an den Start gehen: Als Online-Marketing Agentur.

Als Experten für Internet-Marketing, Social Media und vor allem unkonventionelle Video-Ideen sind wir seit April 2015 offiziell am Start. Mit mittlerweile 4-5 Köpfen sind wir hier mit einem kleinen, schlagkräftigen Team in der Lage für Kunden von der Webseite über den e-Commerce Shop bis hin zum Social-Media Auftritt alles zu realisieren, was Firmen im Netz so brauchen.

Und Video natürlich: Wenn man die Videos aus dem Frühsommer 2015 betrachtet, dann wirken die ersten Clips vom Januar 2015 eher erbärmlich. Den allerersten habe ich auch auf Wunsch meiner Mitarbeiter bei Youtube mittlerweile wieder gelöscht.

Mittlerweile können wir – auch dank der Hilfe von echten Video-Profis – mit ordentlichem Equipment professionelle Kurzfilme drehen. Im Nachhinein weiß ich nicht mehr, wann ich mir wo die Zeit abgezwickt habe, um die ganzen großen und kleinen Details zu lernen. Es ist schon erstaunlich, wozu das menschliche Gehirn in der Lage ist, wenn`s drauf ankommt.

Außerhalb der Komfort-Zone versteht sich.

Lesetipp: Eigenschaften erfolgreicher Menschen

Daß ich einigermaßen selbst-diszipliniert bin, kommt mir hier eindeutig zu Gute. Das ist eine Eigenschaft, auf die ich mich definitiv verlassen kann. Ich werde sie noch brauchen. Bestimmt.

[Tweet „Als Unternehmer musst Du wissen worauf Du dich bei dir selbst verlassen kannst.“]

Einen Schritt weiter als vorher

Vor knapp vier Monaten waren wir als Familie wieder gemeinsam unterwegs. In der zweiten Urlaubswoche, wenn sich so langsam die erste echte Erholung einstellt, hatte ich Zeit etwas intensiver über meine Vorstellung von den Zielen und Wegen für meine Firma nachzudenken.

Mir war im April/Mai klar geworden, daß ich zwar  mit meinem Mitarbeitern mit unglaublicher Energie und viel Willen in die richtige Richtung kämpfte, aber es blieb der Zweifel, daß wir wieder an ähnlichen Hürden (Personal, Umsatz) zurück prallen könnten. Wie ein Stabhochspringer, der eine bestimmte Höhe einfach nicht überspringen kann.

Infografik Eigenschaften Zeit
Infografik Eigenschaften Zeit

Offensichtlich wurde das beim Blick auf meinen Kalender. Kaum Flexiblittät, wenige frei nutzbare Zeit. Total verplant. Ich tanzte wieder auf allen Hochzeiten und war das Zentrum aller Entscheidungen. Das fühlte sich zwar für ein paar Tage gut an, wenn der persönliche Rat von mir gefragt war und bauchpinselt je auch angenehm. Aber für das Unternehmen war das nicht gut.

Ich war wieder mein eigener Engpass. Verdammt.

[Tweet „Als Unternehmer musst Du am Unternehmen arbeiten – nicht mitten drin!“]

Die Entscheidung – wir machen es ganz anders

Ich weiß noch wie wir im Urlaub – nur meine Frau und ich – bei einer Tasse Tee am Meer saßen und ich ihr vorsichtig, fast zögernd und etwas umständlich meine Idee erklärt habe, wie ich aus dem Dilemma raus kommen könnte.

Dabei ist die Idee eigentlich ganz einfach: Wir gründen eine zweite GmbH, deren Hauptgesellschafter die Biteno GmbH bleibt. Die neue GmbH fokussiert sich auf EIN Geschäftsmodell bzw. ein Angebot und nicht auf viele, wie wir als IT-Dienstleister. Für die neue Gesellschaft suchen wir einen pfiffigen, Geschäftsführer, der sich außerdem zu einem kleinen Teil an der neuen GmbH beteiligt und somit auch Gesellschafter wird. Und dann machen wir das Ding groß. So groß, dass es sich auch selbst trägt.

Wie ein Startup. Genau. Wir gründen konsequent eine neue GmbH als Startup für ein Thema an das wir glauben. Mit einer klaren, einzigartigen Positionierung. Packen Startkapital rein und so viel Geld wie wir glauben das nötig ist und uns sinnvoll erscheint. Und dann habt ihr ein Jahr, vielleicht 18 Monate. Bis dahin muss die GmbH den Break-Even erreicht haben. Mit Bootstrapping, wenig laufenden Kosten, cleveren Ideen, anderen Ansätzen – aber voll fokussiert auf EIN Thema.

Klingt einfach, oder ? Warum haben wir das nicht schon viiieeel früher gemacht? Ja warum eigentlich nicht?

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Weil ich eine Schere im Kopf hatte. Eine unausgesprochene Limitierung. Welche das war? … dass wir eine weiter GmbH erst dann aufmachen, wenn der Umsatz dort min. 1 Mio € im Jahr beträgt.

Als könnte man keine GmbH für ein 500.000 € oder auch nur 20.000 € Jahresumsatz gründen. Was für ein Blödsinn.

Los! Trau dich.

tiro-160574Irgendwie um die Zeit habe ich dann meine Ziele aufgeschrieben. Die Ziele die ich bis zum Ende meines Lebens noch erreichen möchte. Die Reisen, die ich mit meinen Kindern noch machen möchte. Die Erfolge die ich noch feiern werde. (Warum ich das gemacht habe, kannst Du hier nachlesen).

Als ich das zu Papier gebracht habe, war klar: Das geht nur wenn ich meine Scheren im Kopf, meine eigenen Blockaden knacke. 10 Mio Umsatz macht man nicht mit organischem Wachstum und konventionellen Vorgehensweisen.

Ich musste es also schaffen, meine Begrenzung im Kopf zu dehnen und nicht mehr der größte Engpass in meiner Firma zu sein. Dabei hatte ich schon Mitarbeiter eingestellt, die selbständig Entscheidungen trafen – oder sogar Mitarbeiter selbständige interviewten und sie einstellen konnten. Aber offenbar reichte das nicht aus.

Spring! Jetzt! Spring endlich!

Ich habe noch nie so viel Gänsehaut vor einer Präsentation gehabt wie im Juni 2015. An dem Tag als ich meinen Mitarbeitern die Idee der zweiten und dritten GmbH vorgestellt habe, wurde klar, daß wir einen wirklich anderen Weg einschlagen wollen. Unsere Ideen und Ansätze für Kunden mussten raus aus dem Sandkasten und sie mussten vor allem wirklich groß angelegt werden. Nicht nur 2 oder drei Kollegen für Online-Marketing oder Cloud-Computing. Eher 10, 20 , 30 oder mehr.

Heute im August 2015 sind wir zahlenmäßig wieder an der Marke von 30 Köpfen angekommen. Aber mit anderen Themen, Neuen Themen und einem anderen Konzept.

Sascha Groß wird ab September 2015 als Geschäftsführer der neu zu gründenden astiga Hosting GmbH die Themen Cloud-Computing, Rechenzentrum und Server-Hosting vorantreiben. Wir werden zunächst einmal im kleinen Stil IT-Services bundesweit in geschützten und zertifizierten Rechenzentren anbieten. Wenn wir der Überzeugung sind, daß ein Service technisch und wirtschaftlich passt und sich das auch in €-Zahlen widerspiegelt, dann machen wir das groß. Skalieren es.

Das Glück ist mit den Tüchtigen

Damit wir das auch konsequent machen, braucht Sascha am Anfang noch mindestens einen Kollegen im Vertrieb. Um die zum Teil komplexen Themen zu verkaufen, braucht es Erfahrung und manchmal auch graue Haar. Genauso einen Kollegen konnten wir noch kurz vor meinem Urlaub verpflichten. Bäng!

Hier habe ich tatsächlich einen meiner Söhne zum ersten Mal um einen „geschäftlichen“ Rat gefragt. Was würdest du tun? … ich habe da jemanden kennen gelernt, der würde passen. Aber eigentlich sprengt der das Budget. Was meinst Du, was sollte ich tun? Würdest Du ihn einstellen?

Mein Sohn hat das Thema mit zwei Sätzen vor dem Spaßbad gelöst: „Der geht doch dann zu Kunden und dann macht ihr mehr Umsatz, oder? Dann stell den doch ein, wenn der auch will und du ihn gut findest.“ So einfach kann die Welt sein.

Hab ich gemacht. Danke mein „Großer“. Fühlt sich gut an. Ich sollte öfter auf meine Intuition hören. Auf die kann ich mich verlassen je älter ich werde. Gut zu wissen.

[Tweet „Unternehmer sollten öfter auf ihre Intuition oder ihr Bauchgefühl hören“]

Was bleibt – was Kraft gibt

Meine Beziehung zu meiner Familie und insbesondere zu meiner Frau ist in den letzten Monaten auf eine wirklich harte Probe gestellt worden. Ich habe praktisch keine Zeit – will die beruflichen Themen die mir wichtig sind weiter nach vorne bringen. Mag nicht auf der Couch sitzen. Hab‘ kein Ohr für die Alltags-Wehwechen.

plane-50893_1920Irgendwie verstehen meine Drei das – notgedrungen. Meine beiden Söhne haben sich zum Geburtstag neben ihren materiellen Wünschen vor allem eins gewünscht: Zeit mit dem Papa. Exklusiv. 100% . keine Ablenkung – vor allem keine Arbeit. Nur Du und ich. Spaßbad. Männer-Spielplatz. Stadtrundfahrt in Berlin. Haben wir gemacht.

Ich habe die Wünsche meiner Kinder eingelöst und werde sicher auch die nächsten einlösen. Versprochen. Danke meiner emsigen Assistentin kriege ich das auch irgendwie im Terminkalender unter. Danke dafür.

Am Geburtstag meiner Frau in zwei Wochen werden wir wieder nach Hause fahren. Vielleicht sollte ich sie auf Händen nach Hause tragen. Verdient hätte sie es.